Rückkehrzentren im Kanton Bern: Wir brauchen dringend Ihre Hilfe!
Ab April 2020 werden 600 Personen, die von Nothilfe leben, gezwungen, in die drei Rückkehrzentren des Kantons Bern umzuziehen. Lesen Sie, was das für diese Menschen bedeutet.
Haben Sie gewusst? Es ist im Kanton Bern neuerdings möglich, weggewiesene Menschen legal in Privatunterkünften unterzubringen. Diese Option erfordert aber Wohnraum und finanzielle Ressourcen. Um die finanzielle Last solcher Lösungen tragen zu können, braucht es Unterstützungskreise. Wir hoffen natürlich, dass sich die Situation dieser Menschen möglichst bald normalisiert, denn dauerhaft können solche Lösungen nicht sein.
Können Sie Wohnraum zur Verfügung stellen, melden Sie sich bei uns! Wollen Sie uns mit einer Spende unterstützen? Unten finden Sie unsere Kontoverbindung.
Einführung
Seit über vier Jahren kämpfen verschiedene Gruppen und Personen gegen das Nothilfe-Regime, dies im im Verbund mit der «Aktionsgruppe Nothilfe – Sackgasse Langzeitnothilfe» www.ag-nothilfe.ch. Die prekäre Situation der Langzeitfälle in der Nothilfe aufzuzeigen und zu verbessern, ist für uns ein grosses Anliegen.
Als Flüchtlingshelferinnen und -helfer haben wir einen pragmatischen Zugang zur Situation der Wegweisung: Abgewiesene Asylsuchende, die in gesicherte Verhältnisse zurückkehren können, ermutigen wir, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und diesen Schritt zu wagen. Bei vielen Personen, die wir begleiten, ist diese Möglichkeit aber nicht gegeben.
Darf es sein, dass Menschen über Jahre von „Nothilfe“ leben – Nothilfe, die nicht etwa hilft, sondern extreme Not verursacht? Im gesellschaftlichen und politischen Gespräch wird immer wieder darauf verwiesen, dass das Nothilfe-Regime durch einen demokratischen Prozess eingeführt wurde. Niemand wusste aber im Jahr 2008, wie sich dieses Regime entwickeln würde. Darauf hinzuweisen, dass Langzeitbeziehende einfach renitente Menschen seien, die der Aufforderung, das Land zu verlassen, nicht Folge leisteten, ist viel zu kurz gegriffen. Niemand wählt sich diese Situation als Dauerzustand.
Das Nothilfe-Regime ist bei Langzeitbeziehenden zu einem strukturellen Unrecht gewachsen, das unbedingt einer Überarbeitung bedarf. Dazu braucht es zivilgesellschaftlichen und politischen Druck. Siehe dazu auch die Empfehlungen der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM).
Und nun entstehen im Kanton Bern drei Rückkehrzentren. Das Wort „Rückkehr“-Zentrum ist eine Schönfärberei. Für einen Grossteil werden es nicht Rückkehrzentren, sondern Bleibezentren sein. Die langjährige Erfahrung zeigt, mindestens die Hälfte der Weggewiesenen sind Langzeitbeziehende. Das sog. „Rückkehr“-Zentrum» wird für sie Endstation und ein unbegrenztes Lagerdasein bedeuten.
Rückkehrzentren im Kanton Bern
Sechshundert Nothilfe-Fälle im Kanton Bern haben im Januar 2002 einen Brief des Migrationsdienstes erhalten: „Der Migrationsdienst des Kantons Bern nimmt eine Umstrukturierung in der Unterbringung von rechtskräftig abgewiesenen Personen des Asylbereichs vor. Künftig werden alle Personen, die gemäss Art. 82 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes von der Sozialhilfe ausgeschlossen sind und auf Ersuchen hin Nothilfe erhalten, in sogenannten Rückkehrzentren untergebracht. Die Rückkehrzentren werden ab dem 1. April 2020 gestaffelt eröffnet …“
Ab Frühling 2020 müssen sie in ein von der ORS* geführtes Rückkehrzentrum umziehen (Aarwangen, Biel-Bözingen oder Gampelen). Rund 300 dieser Personen sind gemäss Statistik sogenannte «Langzeitfälle in der Nothilfe» (seit über einem Jahr in der Nothilfe). Dazu gehören eritreische, tibetische, afghanische, äthiopische Asylsuchende mit einer Wegweisung. (Anmerkung: In der ganzen Schweiz gibt es gemäss neuester Statistik mehr als 8‘000 Nothilfe-Fälle, davon mind. 4‘000 Langzeitbeziehende).
*Die ORS ist eine gewinnorientierte Firma. Sie hat im Kanton Bern durch ihr erstaunlich günstiges Angebot die Ausschreibung gewonnen, indem sie 40% unter der Heilsarmee Flüchtlingshilfe und der Caritas offerierte (ORS 3.285 Mio. / HAF 5,256 Mio. / Caritas 5.541 Mio.).
Konsequenzen für die Langzeitbeziehenden
Im Moment werden viele Langzeitfälle in der Nothilfe, auch solche in Kollektivunterkünften, von zivilgesellschaftlichen Strukturen getragen (private Kontakte, Unterstützungsgruppen, ehrenamtliche Arbeitsmöglichkeiten, Freizeitbeschäftigungen). Mit dem Umzug in die Rückkehrzentren brechen diese Strukturen weg.
Wir wissen aus gut informierten Quellen: In den sog. Rückkehrzentren erhalten sie ein Bett und 8 Franken pro Tag (wenn sie die zweimal tägliche Präsenzkontrolle nicht verpassen). Sie haben keine Beschäftigungsmöglichkeiten (ausser zugewiesene Reinigungsarbeiten, für die sie nicht entschädigt werden), erhalten keine Sprachkurse und sind durch das Budget in der Mobilität massiv eingeschränkt (ausser für Arzt- und Behördenbesuche). Diese Art der Unterbringung wird für gewisse Personen Jahre dauern, ohne jede Hoffnung auf ein Ende, höchstens einmal unterbrochen von einem Gefängnisaufenthalt wegen „illegaler Anwesenheit“.
Externe Wohnsituation
Von Seiten der „Aktionsgruppe Nothilfe – Sackgasse Langzeitnothilfe“ versuchen wir mit Hochdruck, externe Wohnmöglichkeiten für möglichst viele Langzeitbeziehende zu finden. Diese Menschen leben in einem Zustand der „regulären Illegalität“. Der Migrationsdienst bietet Hand, dass diese Langzeitfälle legal ausserhalb der Rückkehrzentren wohnen können. Mit der externen Wohnsituation fällt aber das Nothilfe-Geld weg. Wenigstens übernimmt der Kanton weiterhin die Kosten der Krankenkasse. Die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich für diese Menschen einsetzen, müssen also für sämtliche Wohn- und Lebenskosten aufkommen. Mit dieser Lösung können einzelne Menschen vor der Verelendung bewahrt werden, die ihnen in den fast hermetisch abgeschlossenen Rückkehrzentren droht.
Der asylrechtliche Umgang mit gewissen Flüchtlingsgruppen korreliert mit der Zahl der Langzeitfälle in der Nothilfe
Tibetische Asylsuchende wegzuweisen, ist unverständlich (auch wenn sie aus Nepal kommen: siehe als Präzedenzfall Yangdon Chorasherpa in der Bund-Zeitung vom 21.9.2018). Afghanische zurückzuschicken, ist gefährlich (siehe dazu beispielsweise SRF Echo der Zeit vom 4.2.2020). Eritreische abzuweisen, ist unmenschlich. Eine vorläufige Aufnahme dieser Menschen wäre das Minimum. Lesen Sie dazu die Reportage von David Signer, dem NZZ-Afrika-Korrespondenten, der Eritrea neulich besuchte:
David Signer antwortete auf die Frage, ob er eritreischen Asylsuchenden eine Rückreise nach Eritrea empfehlen würde: Er würde im Moment auch keinen Eritreer zur Rückkehr ermutigen. Er glaube auch kaum, dass es unter dem gegenwärtigen Regime zu wirklichen Reformen komme.
Wege aus der Sackgasse Nothilfe: Empfehlungen der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM)
Die Eidgenössische Migrationskommission hat am 18.12.2019 (Tag der Migranten und Flüchtlinge) Auswege und Perspektiven formuliert. Im gesellschaftlichen und politischen Diskurs würde es sich lohnen, auf diese Empfehlungen zu hören. Hier finden Sie eine Zusammenfassung:
Wie lebt es sich von Nothilfe – Betroffene reden!
Wie es sich – aus der Optik der Betroffenen – in der Nothilfe lebt, können Sie anhand der Geschichten von Menschen nachlesen, die „riggi-asyl“ und die „Aktionsgruppe Nothilfe“ begleiten:
Tsering Dolmatsang: https://riggi-asyl.ch/wp-content/uploads/2020/01/2020-01-17-Der-Bund-Acht-Franken-am-Tag-und-keine-Zukunft-Tsering.pdf
Rahel Tamerat: https://riggi-asyl.ch/wp-content/uploads/2020/02/2020-01-29-Reformiert-Zeitung-Rahel-Tamerat-Nothilfe-Print.pdf
Die Tibeterin Tsang (anonym): https://riggi-asyl.ch/wp-content/uploads/2020/02/2020-01-24-BZ-Hier-bin-ich-eine-Illegale-Tibeterin.pdf
Die Geschichte von Kidane als Comic «Unsichtbar»: https://unsichtbarcomic.tumblr.com/
Ursula Yelin (Bern) und Barbara Yelin (München) haben die Geschichte des Eritreers Kidane in einem Comic aufgearbeitet.
Spenden
Wie schon erwähnt, es braucht GastgeberInnen mit Wohnraum für weggewiesene Asylsuchende. Wir sind aber auch sehr dankbar für Spenden, mit welchen wir Menschen unterstützen, um ihnen ein menschenwürdigeres Leben zu ermöglichen. Wir möchten Unterstützerkreise für einzelne Familien und Personen bilden. Wenn Sie interessiert sind mitzuhelfen, nehmen Sie mit uns Kontakt auf. info@alle-menschen.ch
Für die private Unterbringung, speziell für Familie S-M (Konto des Vereins):
Post-Konto 15-452576-2
IBAN: CH13 0900 0000 1545 2576 2, Alle Menschen / Tous les humains
Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, damit wir den Spendeneingang bestätigen können.
Für kleinere
oder grössere Beiträge zur punktuellen und unkomplizierten Unterstützung
von verschiedenen Personen mit Migrationshintergrund für Billete,
Handy-Abos, Kursgebühren, Lehrbücher, Ski-Miete (für Kinder, damit sie
auch ins Skilager dürfen), Bibliothekskarten, Entdeckerpässe für Kinder,
Exkursionen, Sprachtests, Weihnachtsfeier in der Kollektivunterkunft
usw.:
IBAN CH71 0900 0000 3161 1779 4, Rudolf Albonico, Pestalozzi-Kasse